Nachruf auf Little Richard: A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom! (2024)

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Nachruf auf Little Richard: A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom! (1)

Es ist ein Ausruf, dessen Worte keinen Sinn ergeben, der die Welt aber dennoch für immer veränderte, pure, rhythmische, energiegeladene Onomatopoetik: "A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom!", sang Little Richard 1955 im Studio von Specialty Records, als er gerade den Song "Tutti Frutti" aufnahm. Für Richard Penniman, 1932 in einem Schwarzengetto der Südstaatenstadt Macon in Georgia geboren, war es eine ganz alltägliche Erwiderung, wenn ihn jemand auf der Straße ansprach: "Hey, Richard, wie geht's?", wurde er gefragt, und der junge Mann mit den zur pomadigen Pompadour-Tolle hochfrisierten Haaren antwortete jovial: Awopbopaloobopawopbamboom! Was denn auch sonst?

Richard war schon seit 1951 als Musiker unterwegs, aber es war der Instant-Hit "Tutti Frutti", den die begeisterten Plattenfirmen-Leute bei Specialty letztlich um seinen irren Ausruf herumbauten, der ihm den Durchbruch brachte. Plötzlich war er, inmitten des beginnenden Rock'n'Roll-Fiebers, auf Augenhöhe mit Stars wie Elvis Presley, Bill Haley, Fats Domino, Chuck Berry und Jerry Lee Lewis. Schnell folgten weitere Charts-Erfolge wie "Good Golly Miss Molly" und "Long Tall Sally", die heute in jede Klassiker-Sammlung dieser Geburtsära des Pop gehören.

Elvis und einige andere Interpreten dieser Zeit mögen erfolgreicher gewesen sein als Little Richard, aber es war der Sohn eines schwarzen Moonshiners und Alkoholschmugglers aus dem armen Süden, eines von zwölf Geschwistern, der die architektonischen Grundlagen dieser neuen musikalischen Jugendbewegung mit ihren wilden, erotisierenden Hüftschwingungen und hämmernden Rhythmen schuf. Elvis habe den Rock'n'Roll popularisiert, schrieb der Gitarrist Steven Van Zandt am Samstag auf Twitter, "Chuck Berry war der Geschichtenerzähler, Richard war der Archetyp".

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A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom!, das war ein Trommelmuster, ein Beat, der Richard im Kopf herumspukte, ein Rhythmus, der seinen Gang und sein Leben bestimmte, seitdem er mit 13 Jahren begann, Gospel zu singen und Klavier zu spielen. Es war wohl die Musikkneipe "Tick Tock Club" in Macon, die seine weißen Pflegeeltern betrieben, wo die kirchengesangliche Prägung des Teenagers Richard erstmals mit Blues und Jazz vermengt wurde - eine explosive Mischung.

Einflussreiches Gender-Bending

Denn vor allem die flamboyante Bühnenperformance Little Richards galt bald als legendär und elektrisierend. Der Rockjournalist Nik Cohn beschrieb es einst so: "Er kreischte und kreischte. Seine Stimme war freakish, unermüdlich, hysterisch und absolut nicht unterzukriegen. Nie war sein Gesang leiser als das Brüllen eines wütenden Stieres. Jede Phrase garnierte er mit Wimmern, Schnarren oder Sirenentönen. Seine Vitalität und sein Drive waren grenzenlos."

Vom Heulen und Rufen Richards, von seinen "Awopbopaloobopawopbambooms" und "Wooohs", ließen sich später die Rolling Stones ebenso wie die Beatles inspirieren. Elton John, ebenfalls Pianist, erfand seine ganze Bühnen-Persona nach dem Vorbild Little Richards; Künstler wie David Bowie und Marc Bolan, Michael Jackson und natürlich Prince kopierten und erweiterten Richards frühes Spiel mit sexueller Ambivalenz und fantasievollen Kostümen, sein "gender-bending", das für den modernen Pop essenziell geworden ist.

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Allerdings war diese geschlechtliche Diffusität zunächst aus der Not geboren. In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gab es in weiten Teilen der USA noch strikte Rassentrennung. Schwarze Performer wurden besonders kritisch von der weißen Öffentlichkeit beäugt, vor allem, wenn sie sich auf der Bühne in eindeutig sexuellen Posen gerierten und Songzeilen wie diese aus "Tutti Frutti" sangen: "I got a girl, named Sue/ She knows just what to do/ She rocks to the east, she rocks to the west/ But she’s the girl that I love best". Wobei das "Rocken" natürlich ein Synonym für Geschlechtsverkehr war. Richard musste sich etwas einfallen lassen – und griff in den Schminkkoffer.

"Ich fing an, Make-up zu tragen, sodass sich niemand bedroht fühlen musste, wenn ich in den Klubs für weiße Mädchen spielte", sagte er 1999 dem Magazin "Mojo". Dem "Rolling Stone" erzählte er wenige Jahre später: "Ich war der erste schwarze Künstler, dessen Platten die Kids zu kaufen begannen. Und die Eltern fanden das richtig bitter." Doch mit den Kostümen, den toupierten Haaren und dem übertriebenen "Pfannkuchen-Make-up" fingen bald alle an, ihn für schwul zu halten – so wie sein eigener Vater Jahre zuvor.

Zu seiner Sexualität hat sich Little Richard stets widersprüchlich geäußert: Mal erzählte er dem "Rolling Stone", er habe nichts gegen Schwule, dann wiederum, in seinen tief religiösen Phasen, verdammte er hom*osexualität als Teufelswerk – ebenso übrigens wie den Rock'n'Roll per se. Fest steht jedoch, dass er zahlreichen hom*osexuellen Künstlern mit seinem Liberace-haften Diven-Habitus auf der Bühne (den er bis ins hohe Alter pflegte) den Weg in die Popmusik und den freien Ausdruck ihrer Sexualität und Persönlichkeit ebnete.

Übernachten im Cadillac

Gegen Ende der Fünfzigerjahre war davon jedoch noch keine Rede. 17 Hit-Singles brachte Little Richard in kurzer Folge heraus, aber der Rassismus, erzählte er einmal, war so heftig, dass er trotz seines Ruhms auf Tournee nicht in Hotels übernachten durfte, die für Weiße reserviert waren. Vielfach schlief Richard also in seinem Auto – einem Cadillac – und konnte so immerhin am nächsten Tag standesgemäß wie ein Star zum Auftritt anrollen.

Nachruf auf Little Richard: A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom! (2)

Weiße Interpreten wie Elvis und Pat Boone waren zudem kommerziell weitaus erfolgreicher mit ihren Versionen von Little-Richard-Hits, während er selbst kaum Geld oder Tantiemen für seine Aufnahmen und Konzerte bekam. Richard rächte sich auf seine Weise – und nahm den Gesang von "Long Tall Sally" mit so vielen Tricks auf, dass Boone, ein weniger versierter Sänger, Schwierigkeiten hatte, sie zu reproduzieren.

Im Herbst 1957 zog sich Richard aus dem Musikgeschäft zurück und begann ein Studium der Theologie, um fortan ein Leben als Prediger und Bibelverkäufer zu bestreiten. Erst 1962 kehrte er mit neuen Songs zurück, die purer Gospel waren – eine Reverenz an Mahalia Jackson, Roy Brown und Clara Ward, spirituelle Künstler, die ihn als Kind zur Musik gebracht hatten.

Immer wieder nahm Richard sich in den folgenden Jahrzehnten solche Auszeiten, auf manchen Tourneen, sogar noch in den Neunzigerjahren, verteilte er selbst geschriebene Erweckungsschriften. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sich danach wieder ans Piano zu setzen, und wilde "Ahs", "Uhs" und "Woohs" ins Publikum zu krähen. Am 3. September 2013 kündigte er, damals 80, seinen endgültigen Abschied von der Bühne mit den Worten an: "I am done, in a sense, I don't feel like doing anything right now."

Getan hatte er bis dahin ja auch genug: Aus dem Blues und den Rhythmen vorbeirauschender Züge hatte er während seiner Zeit als Tellerwäscher einer Greyhound-Station einen hämmernden, rockenden und rollenden Beat erschaffen. Die Seele dieses Sounds und seine fiebrige Zerrissenheit zwischen Lust und Frömmigkeit hatte er aus dem Gospel extrahiert – und mit seiner dandyhaften Show musste er zwar leider die toxische Tradition der Minstrel-Shows afroamerikanischer Künstler fortführen – letztlich gelang es ihm aber auf diese Weise, ein weißes und schwarzes Pop-Publikum in gemeinsamer, kreischender Ekstase zu vereinen.

Undankbare Rock-Welt?

Hat es ihm die Rock-Welt gedankt? Little Richard hat längst einen Eintrag in der Rock'n'Roll Hall of Fame und einen Stern auf dem Hollywood-Boulevard. Doch in den ewigen Bestenlisten rangiert er stets hinter seinen Epigonen. "Die Rolling Stones haben mit mir angefangen, aber sie werden immer vor mir sein", sagte er 2004, "die Beatles starteten mit mir, im Star-Club in Hamburg, bevor sie überhaupt eine Platte aufgenommen hatten – aber sie werden immer vor mir genannt werden".

Auch James Brown und Jimi Hendrix, die einst in seiner Band spielten und sich viel von ihm abgeguckt haben, würden heute mehr gewürdigt als er, beklagte er. "Ich glaube nicht, dass ich jemals das bekommen habe, was mir zugestanden hätte", sagte er dem "Rolling Stone" damals.

Bitter habe es ihn jedoch nicht gemacht: "Ich glaube, dass wenn die Leute Freude, Spaß und Happiness haben wollen, dann wollen sie den alten Rock'n'Roll hören. Und ich bin schlicht glücklich, dass ich ein Teil davon war", sagte er einmal. Oder, wie Popchronist Nik Cohn es schon 1968 auf den Punkt brachte: "A-wop-bop-a-loo-bop-a-wop-bam-boom!", dieser eine, magische, ursprüngliche Ausruf Little Richards, enthalte bereits die gesamte Essenz des Rock'n'Rolls.

Little Richard verstarb am Samstag im Alter von 87 Jahren.

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Author: Maia Crooks Jr

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